DER PRAGTRANSPORT


Der rätselhafte Transport aus Prag

 

Nur noch fünf Kilometer und das Ziel wäre erreicht gewesen. Die Messerschmittmontagewerke im Tunnel Eschenlohe war im Marschbefehl des Devisenschutzkommandos aus Prag ausgewiesen. Aber ausgerechnet jetzt bleibt der erste der schwer mit beschlagnahmten Werten, beladenen LKWˋs in der Furt der Eschenlaine stecken. Nichts geht mehr, in dem Kiesgeröll hat sich der Wagen fest gefahren. Die Männer, alle durch Verwundungen nicht mehr fronttauglich, beratschlagen in der kalten Nachtluft Ende April 1945 was man tun könnte.

 

Soll versucht werden den Havaristen mit den anderen LKWˋS heraus zu ziehen? Geeignete Ketten oder Seile fehlen. Es bleibt nur den Schatz auf die anderen beiden LKWˋs zu verteilen und über Mittenwald einen Umweg von 40 km in Kauf zu nehmen. Die überladenen Fahrzeuge schaffen nur knapp die erste Anhöhe auf dem Weg zurück zum Walchensee und der Truppführer befiehlt die Fahrzeuge zu entlasten. Links und rechts des Weges werden die mitgebrachten Werte vergraben. Der Transport verschwindet in der Nacht des Estergebirges.

 

Einige Tage später wird ein einarmiger Hauptfeldwebel aus dem Prag Transport in Mittenwald vorstellig und begehrt den Leiter der Gebirgsjägerschule, Oberst Pfeiffer, zu sprechen. Pfeiffer erkennt sofort den alten Kameraden aus der Division Brandenburg wieder. Beide freuen sich über das unverhoffte Wiedersehen im Süden Bayerns. Der Hauptfeldwebel bittet den Oberst um einen Gefallen. Sie hätten beschlagnahmte Werte des Devisenschutzkommandos Prag an einigen Stellen im Estergebirge vergraben. Ob er denn nicht einige Gebirgsjäger zur Bewachung abstellen könne. Der Oberst lehnt ab, er könne nicht über das absehbare Kriegsende hinaus eine Sicherung garantieren, dreht aber die Bitte um. Es wäre eine letzte Soldatenpflicht gegenüber dem untergehenden Dritten Reich und ein Kameradendienst wenn der Hauptfeld auch nach dem Kriege nicht nur die Werte des Devisenschutzkommandos bewachen und überprüfen würde, sondern auch bei einigen Verstecken die von den Gebirgsjägern des Oberst angelegt worden waren, nach dem Rechten sehen würde. Der Freund stimmt zu und eine Karte mit einigen Kreuzen darauf wechselt den Besitzer.

 

Das dritte Reich geht unter. Ein schlecht gelaunter Jugendlicher wird seit den 70 ern bis in die 80 er Jahre gezwungen mit seinen Eltern jedes Jahr an den Walchensee zu fahren, dort anhand einer alten Karte immer die gleichen Wanderungen ab zu laufen und immer an den gleichen Orten auf den einarmigen Vater zu warten, der dort für eine Pinkelpause im Wald verschwindet.

 

In den 80 er Jahren stirbt der Vater, die ältere Schwester regelt den Nachlass und mistet die geerbten Papiere und Unterlagen aus. Sie wirft, wie das damals üblich war den ganzen "alten Kram" weg.

 

20 Jahre später ist der Jugendliche ein gestandener Mann geworden. Er wird durch einen Zeitungsartikel auf die Vorgänge am Ende des zweiten Weltkrieges rund um den Walchensee aufmerksam und beginnt weitere Informationen zu sammeln. Er recherchiert dass zum Kriegsende im Mai 1945 mehrere Werttransporte den Geigenbauort Mittenwald, respektive den Walchensee angesteuert haben.

 

Er beginnt zwei und zwei zusammen zu zählen und und ein Idee entsteht. Der Vater war in einem Devisenschutzkommando tätig. Devisenschutzkommandos beschlagnahmten und verwalteten und verwerteten die Gelder und Wertgegenstände von Regimefeinden. Wertgegenstände konnten verbilligt von Gefolgsleuten des Naziregimes erworben werden. Edelmetalle, Schmück und Münzen wurden zur Finanzierung des Krieges eingeschmolzen und gegen begehrte Devisen international verkauft.


Der Vater hat oft von der abenteuerlichen Reise während des Krieges an den See erzählt. Er hat nach dem Krieg jedes Jahr dort Urlaub gemacht und die Familie sind mit einer alten Landkarte die Gegend abgelaufen. Und er hat jedes Mal nach den Urlauben Briefe an alte Kameraden verschickt.

 

In seinem Kopf fallen plötzlich Puzzleteile an die richtigen Stellen und ein Bild entsteht. Nicht das eines langweiligen Wanderurlaubes mit den Eltern, sondern das einer Bewachung unter dem Deckmantel einer Urlaubsreise. Ein einsamer Wächter der seine jährliche Runde dreht und ihm wohlbekannten Hintermännern das Ergebnis brieflich mitteilt. Aber wo genau sind die Verstecke. Wie kann man so etwas suchen? Was für Ausrüstung wird benötigt? Welche rechtlichen Hürden gibt es?

 

An dieser Stelle wird dem Sohn klar dass er professionelle Hilfe benötigt und bei uns klingelt ein Telefon.

 

Selbstverständlich hatten wir schon die Gerüchte um die angeblichen Wächter gehört. Ehemalige, die sich verpflichtet hatten die letzten Verstecke des Nazireiches im Auge zu behalten. Bisher waren wir von Schatzsucherlatein ausgegangen. Anfänglich also skeptisch gestimmt, präsentierte der Sohn nach einigem Schatzsuchergeplänkel über die Fundteilungsverträge immer mehr Details. Leider war die Karte die der Vater immer bei seinen Urlauben benutzt hatte von der Schwester weggeworfen worden und der vom Urlaub mit den Eltern genervte damalige Jugendliche, heute ein gestandener Fünfzigjähriger, erinnerte sich nur daran dass die Kreuze links und rechts der Laine lagen. Auf der einen Seite des Flusses sieben, auf der anderen Seite vier. Auch an die einzelnen "Pipiplätze" des Vaters, an denen er im Wald verschwand, hatte er nur noch verschwommene Erinnerungen.


Konnte es sein? Gab es wirklich Wächter die bis in die 90 er Jahre sich dem Eid den sie geleistet hatten verpflichtet fühlten. Die die Schatzhorte und Verstecke bewachen ohne sich persönlich zu bereichern, ohne ihr Schweigen zu brechen einer Aufgabe 40 Jahre entsprochen haben. Fast unglaublich, aber eben nur fast.

 

So verfielen wir auf die Idee von location checks.

 

Einige Wochenenden durchstreiften wir die Gegend mit dem Sohn. Wir liefen anhand von alten Karten und Luftaufnahmen die Waldwege und Forstwege von 1945 ab und hofften dass sich der Sohn an Landmarken, Weggabelungen oder Hütten erinnern würde. Und tatsächlich weckten drei Orte seine Erinnerungen an die Pausenplätze des Vaters. Nach seinen Schätzungen war der Vater zwischen 10 und 20 Minuten während seiner Pausen unterwegs. So schlugen wir einen Radius von einer viertel Stunde um den Ausgangspunkt und starteten die Detektoren.

 

Immer wieder erstaunt es wieviel, ein auf den ersten Blick unberührter Wald, an Metallfunden hergibt. Vom Brotzeitmachen finden wir die Dosenreste und Alupapiere, Jäger hinterlassen Jagdmunition, Waldarbeiter Holzerwerkzeug und Kettenreste. Plötzlich taucht aber ein untypischer Fund auf, ein kleines silbernes Kreuz. Gleich daneben im Boden lagen silberne Löffel, Reichsmünzen und als endgültiger Beweis für ein Versteck des Prag Transportes, ein ewiges Licht aus einer Synagoge. Der Dochthalter noch komplett mit Davidstern, der gläserne Ölbehälter war zerbrochen. Ein Stück weiter gruben wir aus einem Loch einen gebrochenen Schaufelrest aus. Für uns stand fest: Hier hatte jemand eines der Verstecke des Prag Transportes geleert und einige Objekte übersehen.

 

Damit waren letzte Zweifel an der Geschichte des Wächters beseitigt und es wurde beschlossen im Frühjahr eine ganze Suchwoche an zu setzen.

 

Sechs Monate später, es lagen noch die Reste des Winterschnees, wurden des Nachts Zelte und Campingausrüstung in das Suchgebiet gefahren und ein kleines versteckt am Hang gelegenes Camp errichtet. Sechs Tage lang durchsuchten wir die durch den Sohn bezeichneten Gebiete und auch dort fanden sich Werte. Nahe eines Abzweiges an den sich der Sohn erinnert hatte fand sich ein kleiner Silberschatz. Milchkännchen, Zuckerbehälter, Vorlegeplatten aus Silber wurden aus der Erde geborgen. Alles war platt gehämmert um in Transportkisten enger stauen zu können, in Vorbereitung für die Einschmelzung. Im Umfeld lagen Ausrüstungsreste der Wehrmacht und einige stark vermoderte Kisten und deren Beschläge.

 

Wir hatten zwar ein weiteres Versteck gefunden aber auch hier fanden sich nur die Reste eines Hortes die der Berger aus unbekannten Gründen zurück gelassen hatte. Vielleicht wurde das Silber im Dunkel übersehen, vielleicht passte es nicht mehr in den Rucksack, vielleicht gab es Wertvolleres ab zu transportieren.

 

Aber es lässt uns weiter hoffen dass auf den Spuren des Wächters noch ungeplünderte Verstecke zu entdecken sind. So werden wir noch öfters, scheinbar ziellos, mit dem Sohn den alten Wegen folgen, an jeder Wegkreuzung oder Landmarke kurz verharren und auf den erlösenden Bescheid warten: "Daran kann ich mich erinnern, hier ging Vater immer ins Gebüsch".

 

 

Möge uns das Sucherglück weiterhin hold sein.

 

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